Wahlprüfsteine des bdvb zur
Bundestagswahl 2021

Der bdvb ist unparteiisch, aber nicht unpolitisch. Als unabhängiger und größter Wirtschaftsakademikerverband in Deutschland bekennen wir uns zur Verantwortung, die gesellschaftliche Entwicklung aktiv mitzugestalten und ökonomischen Sachverstand in öffentliche Debatten einzubringen.

Deswegen hat der bdvb Fachausschuss Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik acht Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 formuliert. Die Antworten der Parteien, nachzulesen unter www.bdvb.de/wahlpruefsteine, werden eine Orientierungshilfe bei der Wahlentscheidung am 26. September 2021 und ein Maßstab für die Umsetzung von Wahlversprechen nach dem Wahltag sein.

Acht Parteien, acht Fragen

 

Wir haben die Parteien „Alternative für Deutschland“, „Bündnis 90/Die Grünen“, „Christlich Demokratische Union Deutschlands“, „Christlich-Soziale Union in Bayern“, „Die Linke“, „Freie Wähler“, „Freie Demokratische Partei“ und „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ angeschrieben. Leider haben trotz mehrmaligem Nachfragen nicht alle Parteien geantwortet. Nachgereichte Antworten werden postwendend hier veröffentlicht.

1. IMMOBILIEN- UND MIETPREISENTWICKLUNG

Wie beurteilen Sie die aktuelle Immobilien- und Mietpreisentwicklung und ihre ökonomischen Konsequenzen? Mit welchen Maßnahmen begegnen Sie der steigenden Nachfrage nach Wohnraum – vor allem in Metropolregionen?

In zahlreichen Städten steigen die Mietpreise und schrumpft die Zahl günstigen Wohnraums. Viele Menschen geben einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für ihre Wohnung aus oder können sich ihre Mieten nicht mehr leisten.

Wir GRÜNE setzen uns für eine starke Förderung bezahlbaren Wohnraums und eine gerechte Bodenpolitik ein. Wir wollen mit der Einführung der Neue Wohngemeinnützigkeit in Höhe von 3 Milliarden Euro im Jahr für zusätzliche preisgünstige Mietwohnungen sorgen. Zudem wollen wir Kommunen ermöglichen, mehr sozialen Wohnungsbau in Bebauungsplänen festzusetzen.

Mit unserem Hunderttausend-Dächer-und-Häuser-Programm wollen wir die Aufstockung von Gebäuden, den Ausbau von Dachgeschossen und die Wiedernutzung leer stehender Gebäude fördern.

Wir wollen ungenutztes Bauland leichter einer Bebauung zuführen, Konzeptvergaben stärken, günstigere Vorkaufsrechte einführen und auf Share Deals, Zwangsversteigerungen und Bodenbevorratung ausweiten, sowie Baugebote vereinfachen.

Wo Wohnraum teuer ist oder fehlt, wie in vielen Großstädten, heißt unsere Devise: Mehr, schnell, modern und bezahlbar bauen. Ziel von CDU und CSU ist, dass bis 2025 mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Wir werden den sozialen Wohnungsbau weiter fördern und die derzeit befristeten Abschreibungsmöglichkeiten beim Mietwohnungsbau verlängern. Planungs- und Genehmigungsverfahren werden wir beschleunigen und die Anzahl der Bauvorschriften signifikant verringern. Zu einer ehrlichen Baupolitik gehört auch, das Umland zu stärken – insbesondere durch eine starke Anbindung an Bus und Bahn sowie eine moderne Grundversorgung.

Wir unterstützen zudem alle, die sich ein Eigenheim wünschen. Wir werden das KfW-Wohneigentumsprogramm für Familien ausweiten und Ländern ermöglichen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb selbst genutzten Wohnraums zu gewähren. Attraktive Mietkaufmodelle sollen es vor allem jungen Menschen mit geringerer Kapitalausstattung ermöglichen, Wohneigentum zu erwerben. Auch prüfen wir die Unterstützung genossenschaftlicher Wohnmodelle.

Die hohen Mieten in vielen Städten und der Mangel an günstigen Wohnungen ist nicht nur eine Gefahr für die soziale Wohnraumversorgung. Die Entkopplung der Miet- und Immobilienpreise von der Einkommens- und Verbraucherpreisentwicklung ist auch ökonomisch höchstproblematisch. Seit Jahren warnt die Bundesbank vor einer Blasenbildung in den Metropolen. Hohe individuelle Wohnkostenbelastungen dämpfen die Konsumnachfrage und die immer höheren staatlichen Mietzuschüsse gehen mit aktuell fast 18 Milliarden Euro im Jahr auch zulasten öffentlicher Investitionen. Deshalb wollen wir die Mietpreisspirale durchbrechen durch einen bundesweiten Mietendeckel, der dort, wo es nötig ist, Mietsteigungen aussetzt, Mietobergrenzen einführt und überhöhte Mieten absenkt. Gleichzeitig wollen wir mit einem öffentlichen Wohnungsbauprogramm im Umfang von 15 Milliarden Euro im Jahr den Bau und die Modernisierung von bis zu 250.000 Sozialwohnungen sowie weiteren 130.000 kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungen anstoßen.
Steigende Wohnkosten sind eine der sozialen Fragen unserer Zeit. In unserer Offensive für bezahlbaren Wohnraum setzen wir uns deshalb dafür ein, dass endlich mehr, schneller und günstiger gebaut werden kann.

Wir Freie Demokraten wollen Bauen günstiger machen. Durch die Vielzahl von Vorschriften entstehen massive Kosten. Daher wollen wir einen Baukosten-TÜV einführen, der neue Regelungen auf ihre Kosten für Bauen und Wohnen ermittelt. Unser Ziel ist es, kostenverursachende Normen zu vermeiden und den Entscheiderinnen und Entscheidern eine transparente Grundlage für ihr Handeln zur Verfügung zu stellen. Insbesondere EU-Richtlinien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinaus umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Baukostensenkungskommission erfordern eine konsequente Umsetzung. Ebenso wollen wir auch bestehende kostensteigernde Regelungen kritisch überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Ein zweiter großer Kostenfaktor ist das teure und knappe Bauland. Wir Freie Demokraten wollen daher ein Baulücken- und Potentialflächenkataster einführen. Auf dessen Grundlage können die Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne zur Bebauung dieser Flächen entwickeln. Hindernisse bei der Wiederverwertung von Brachflächen sind konsequent zu beseitigen. Der Bund muss die Länder im Rahmen der Bauministerkonferenz außerdem zu einer Entbürokratisierung des Dachausbaus und der Dachaufstockung, etwa bei der Stellplatz- und Aufzugspflicht, anhalten und mittels der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein entsprechendes Förderprogramm auflegen. Alle Grundstücke und Liegenschaften des Bundes, die nicht für Staatszwecke benötigt werden, müssen schnellstmöglich identifiziert, bereitgestellt und bevorzugt über beschleunigte Konzeptvergaben veräußert werden.

Wir wollen zudem für Menschen mit niedrigem Einkommen einen echten Zugang zu günstigem Wohnraum schaffen. Dazu muss sich die soziale Wohnraumversorgung an der potentiellen Mieterin beziehungsweise am potentiellen Mieter und nicht nur am Bau von neuen Sozialwohnungen orientieren. Wir wollen zahlungsschwachen Wohnungssuchenden den Zugang zum freien Wohnungsmarkt mithilfe des Wohngeldes erleichtern. Erst wenn dort die Wohnungssuche erfolglos bleibt, soll die Berechtigung auf Bezug einer Sozialwohnung erteilt werden.

2. BÜROKRATIEABBAU

Welche konkreten Schritte wird Ihre Partei unternehmen, um die Bürokratiebelastung – vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen – zu reduzieren?

Wir GRÜNE wollen Abläufe und Regeln vereinfachen, und mehr Zeit für die eigentliche Arbeit schaffen. Digital und personell gut aufgestellte Verwaltungen ermöglichen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das sorgt für weniger Bürokratie. Nachweise und Unterlagen, über die Behörden bereits verfügen, sollen nicht erneut vorgelegt werden müssen. Berichtspflichten sollen vereinfacht werden. Dafür ist die konsequente Anwendung von KMU-Tests auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich. Wir wollen einfachere Steuerregeln: Anschaffungen bis 1.000 Euro sollen sofort abschreibbar sein und die Umsatzsteuer soll erst entrichtet werden müssen, wenn die Kund*in bezahlt hat (für Unternehmen unter zwei Mio. Euro Jahresumsatz). Zur Entlastung von Kleinstunternehmen wird die Gewinngrenze für die Buchführungspflicht angehoben. Junge Unternehmen befreien wir in den ersten zwei Jahren weitgehend von Melde- und Berichtspflichten und bieten Information, Beratung und Anmeldung aus einer Hand an.
Wir werden ein umfangreiches Entfesselungspaket auf den Weg bringen, das Unternehmen von Steuern und Bürokratie entlastet. Darin werden wir u. a. die steuerlichen Betriebsprüfungen beschleunigen und modernisieren, damit sie zeitnah, effizient und unbürokratisch erfolgen. Wir werden die Schwellenwerte für die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen erhöhen, die Ist-Versteuerung ausweiten und die Informations- und Statistikpflichten begrenzen. Bei den Ausfuhrkontrollen wollen wir eine feste Bearbeitungsfrist von 30 Tagen einführen. Im Arbeits- und Sozialrecht wollen wir die Schwellenwerte, die sich an der Betriebsgröße orientieren, so weit wie möglich vereinheitlichen und vereinfachen. Die von uns eingeführte Bürokratiebremse, das „One in, one out“-Prinzip, ist erfolgreich. Mit der Ausweiterung zu einer „One in, two out“-Regel sorgen wir für einen Entfesselungsschub. Um vor allem Mittelstand und Familienunternehmen zu entlasten, sollen Erfolgskontrolle, Praktikabilität und Erfüllungsaufwände von Gesetzen durch einen Praxis-Check geprüft werden.
Gesetze und Verordnungen müssen eingehalten, geprüft und bei Verstoß sanktioniert werden. Die Forderung nach „Bürokratieabbau“wird der Realität nicht gerecht. DIE LINKE will dort Bürokratie abbauen, wo sie unsinnig ist und nur zeitliche wie finanzielle Belastungen mit sich bringt. Ob es unsinnige Belastungen gibt, ist gemeinsam mit den Betroffenen und deren Verbänden zu prüfen. Wir wollen gleichzeitig die digitale Verwaltung mit mehr Mitteln (10 Mrd. Euro p.a.) und Personal zügig durchsetzen, die Behörden (Bund, Land und Kommunen) vernetzen und Abläufe beschleunigen und effektiv organisieren. Nur so ist eine öffentliche Verwaltung zukunftsfähig, reduziert „Bürokratie“ im Alltag und beim überfälligen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft.
Wir Freie Demokraten fordern einen Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft, in dem Maßnahmen zur Bürokratieentlastung gebündelt und vorangetrieben werden. Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die deutschen Unternehmen und bremst die wirtschaftliche Entwicklung aus. Initiativen wie das Bürokratieentlastungsgesetz IV, die Strategie „Einheitliche Ansprechpartner 2.0“ und eine Verlegung der Sozialversicherungsbeiträge in den Folgemonat müssen zu einer Gesamtstrategie gebündelt werden. Das gilt auch für schlankere Vergabe-, Register- und Informationsbestimmungen. Für jede neue Belastung durch geplante Regelungen sollen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“) – auch auf europäischer Ebene. Europäische Vorgaben wollen wir 1:1 umsetzen und die Praxis des sogenannten Gold-Plating beenden.

3. INVESTIONSFÖRDERUNG

Welche Anreize wollen Sie schaffen, um (private) Investitionen vor allem in die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft zu fördern?

Investitionen in klimafreundliche und digitale Verfahren fördern wir GRÜNE mit Zuschüssen und attraktiven steuerlichen Abschreibungsbedingungen. Klimaverträgen helfen, die temporär höheren Kosten CO2-freier Technologien abzufedern und schaffen Investitionssicherheit. Für Selbstständige und Mittelstand wollen wir passgenaue Beratungen besser fördern, auch über längere Zeiträume. Dafür wollen wir KMU durch ein dezentrales und unabhängiges IT-Beratungsnetzwerk insbesondere bei höherer IT-Sicherheit unterstützen. Wir wollen Leitmärkte für CO2-freie Produkte und Verfahren voranbringen, richten dafür die öffentliche Beschaffung konsequent auf die ressourcenschonendsten und sozial verträglichsten Produkte und Dienstleistungen aus und wollen Quoten für den Anteil CO2-neutraler Grundstoffe in bestimmten Produkten einführen. Für eine CO2-freie Wirtschaft brauchen wir Grüne Energie. Dafür beschleunigen wir den Ausbau Erneuerbarer Energien und verdoppeln das Ziel bei Grünem Wasserstoff.
Mehr Wachstum und Innovation in Verbindung mit einer nachhaltigen und resilienten Ausrichtung erreichen wir durch mehr Anreize und gute Rahmenbedingungen für private Investitionen sowie durch einen Schub an öffentlichen Investitionen. Wir verbessern die Ab-schreibungsregeln. Dazu wollen wir die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wiedereinführen und die Abschreibungsregeln für digitale Zukunftstechnologien verbessern, wie zum Beispiel Investitionen in Serveranlagen, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck oder die Fabrik 4.0. Wir werden ebenso gewerbliche Investitionen, die einen Beitrag zur Energieeffizienz und CO2-Reduzierung leisten, durch eine schnellere Abschreibung begünstigen. Planungs- und Genehmigungsverfahren ziehen sich oft über Jahre hin und sind ein Hindernis für neue Investitionen in Betrieben und Infrastrukturen. Wir werden sie beschleunigen und so für einen Modernisierungsschub sorgen.
Der Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland ist bis jetzt durch politische Fehler mit immensen Kosten verbunden gewesen, für die Verbraucher*innen oft zu teuer und in der flächendeckenden Abdeckung und Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich eine „Lachnummer“. Wir wollen deshalb eine öffentliche Investitionsoffensive (10 Mrd. Euro jährlich), um ein einheitliches, kostengünstiges Netz (Breitband und Funk) mit flächendeckender Abdeckung zu bekommen. Der Netzausbau und -betrieb gehört in die öffentliche Hand. Auf dieser Basis können dann digitale Dienstleistungen von privaten Unternehmen kostengünstiger angeboten werden. Wir investieren in Schienenverkehr und -produktion. Knapp 200 000 Beschäftigte müssen innerhalb der nächsten zehn Jahre im Fahrdienst, in der Instandhaltung und in weiteren Bereichen der Verkehrsbetriebe eingestellt werden, damit der Ausbau des Angebots und eine ökologische Mobilitätswende gelingen. Der ÖPNV muss flächendeckend und barrierefrei ausgebaut werden (17 Mrd. Euro). Bis 2030 wollen wir die Zahl der Nutzer*innen verdoppeln (im Vergleich zu vor Corona). Dafür brauchen wir wesentlich mehr Mittel vom Bund (8,4 Mrd Euro pro Jahr). Wir investieren in die Energiewende in öffentlicher und genossenschaftlicher Hand 12 Mrd. Euro. Bis bis 2030 können dort über 100 000 hochwertige und gut bezahlte Arbeitsplätze in der Produktion, Installation und Wartung dieser Anlagen geschaffen werden. Der LINKE sozialökologische Umbau bietet auch einen Ausweg aus der Krise der Autoindustrie. Für die Beschäftigten in von Transformation betroffenen Branchen spannen wir einen Rettungsschirm im Umfang von 20 Mrd Euro pro Jahr.
Deutschland droht im internationalen Wettbewerb zurückzufallen. Um in die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückzukommen, sind in den nächsten Jahren gewaltige Investitionen, insbesondere in die Megatrends Digitalisierung und Dekarbonisierung, notwendig. Dafür brauchen wir einen Investitionspakt im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. Dabei kommt es besonders auf die privaten Investitionen an, denn im Jahr 2020 kamen rund 13 Prozent der Investitionen vom Staat, aber 87 Prozent vom privaten Sektor.

Doch zurzeit drückt der Staat bei den Unternehmen auf die Investitionsbremse. Bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Arbeitslohn befindet sich Deutschland in der absoluten Spitzengruppe der OECD-Länder.

4. LIEFERKETTENGESETZ

Das deutsche Lieferkettengesetz verlangt genaue Kenntnisse der Umstände vor Ort. Wie werden Sie die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen? Halten Sie es für zielführend, das Gesetz auf ökologische Aspekte zu erweitern?

Das deutsche Lieferkettengesetz ist nur ein erster Schritt und muss dringend nachgebessert werden. Wir GRÜNE unterstützen eine europäische Regelung entlang der gesamten internationalen Wertschöpfungskette. Bereits bestehende Unterstützungsangebote der Bundesregierung für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) zur Umsetzung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten wollen wir ausbauen. Einheitliche und anspruchsvolle Standards für Menschenrechte können beispielsweise in sogenannten Brancheninitiativen verbindlich erarbeitet und umgesetzt werden. Diesen können sich KMUs anschließen, um Synergieeffekte zu nutzen. Für Wirtschaftszweige, in denen es typischerweise zu Menschenrechts- und Umweltverletzungen kommt, bestehen bereits branchenspezifische OECD-Leitfäden. Außerdem unterstützen wir die Aufnahme weiterer umweltbezogener Sorgfaltspflichten, um deutsche Unternehmen im Falle von Vollzugsdefiziten von nationalen Umweltgesetzen in die Pflicht zu nehmen und Schutzlücken zu schließen.
Beim Sorgfaltspflichtengesetz geht es um die unternehmerische Verantwortung im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft für den gesamten Wertschöpfungsprozess. Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte entlang der weltweiten Lieferketten zu verbessern und zum Beispiel Kinder- und Zwangsarbeit ebenso zu verhindern wie für Mensch und Umwelt gefährliche Stoffe zu verbieten. Wir setzen uns aber auch weiterhin dafür ein, dass dadurch keine Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen entstehen, dass der Bürokratieaufwand so gering wie möglich gehalten und dass es zu einer europäischen Regelung kommen wird.
DIE LINKE begrüßt die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes, obwohl es weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist (siehe hierzu unseren Antrag auf Drucksache 19/29279). Wir sind beispielsweise der Auffassung, dass der Geltungsbereich auf die gesamte Wertschöpfungskette ausgeweitet werden muss, um den Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten zu entsprechen und Unternehmen eine zielgerichtete Risikoanalyse zu ermöglichen. Unternehmen müssen selbstverständlich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes 2023 und darüber hinaus von der designierten Umsetzungsbehörde, dem BAFA, sowie vom NAP-Helpdesk und durch weitere Angebote der Bundesregierung unterstützt werden. Das Gesetz enthält bereits einige wenige umweltbezogene Sorgfaltspflichten, sollte unserer Meinung nach jedoch auf eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten und eine Verankerung des Pariser Klimaabkommens ausgeweitet werden.
Wir Freie Demokraten setzen auf gelebte Eigenverantwortung von Unternehmen und Konsumenten zum besseren Schutz der Menschenrechte. Denn gerade Letztere haben insbesondere durch ihre Nachfragemacht großen Einfluss die Produktionsbedingungen. Gleichzeitig wollen wir daran mitwirken, dass Unternehmen durch die Beachtung von Menschenrechten mehr Wettbewerbsvorteile als -nachteile haben. Daher treten wir für eine einheitliche europäische Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein. Wir sind überzeugt, dass nur gemeinsame europäische Standards dem Binnenmarkt gerecht werden und zu einer positiven und nachhaltigen Wertschöpfungskette beitragen. Viele deutsche und europäische Unternehmen leisten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur schrittweisen Verbesserung der Lebensbedingungen sowie der menschenrechtlichen und sozialen Lage in Entwicklungsländern. Sie haben allerdings weder die Marktmacht noch das Personal, um die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten weltweit zu garantieren. Damit das Engagement nicht gefährdet wird, sollte die Haftung in der Lieferkette nur auf den Bereich der direkten Kontrolle bezogen werden, ohne neue zivilrechtliche Haftungsansprüche zu begründen. Wir schlagen einen risiko-, größen- und sektorspezifischen Ansatz vor. Die Schaffung weiterer Dokumentationspflichten oder unnötiger bürokratischer Hürden lehnen wir ab. Menschenrechtsbezogene Risiken von Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen werden reduziert. Die Beachtung von sozialen und ökologischen Kriterien fördert zudem Investitionen von verantwortungsbewussten Unternehmerinnen und Unternehmern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollten bei ihrem Engagement in Entwicklungsländern unterstützt werden.

5. AUSSENHANDEL

Wie wird Ihre Partei sicherstellen, dass deutsche Unternehmen trotz nationaler CO2-Steuer und europäischen Emissionshandels auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben?

Dafür wollen wir GRÜNE z.B. die Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis auch zur Senkung der EEG-Umlage verwenden und so die Unternehmen beim Strompreis entlasten. Für Branchen, die energieintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen, braucht es einen ergänzenden Carbon Leakage-Schutz. Mit der EU-Kommission setzen wir uns für einen Grenzausgleich von CO2-Kosten ein, damit ambitionierter Klimaschutz nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten im EU-ETS wollen wir erst beenden, wenn es einen funktionierenden Grenzausgleich für fairen internationalen Wettbewerb gibt. Im Wettbewerb um die globalen Technologien und Märkte von morgen kann aber auch eine Vernachlässigung der CO2 Kosten schnell zum Nachteil werden. Viele Unternehmen kalkulieren deshalb schon länger einen internen Preis für Kohlendioxidemissionen (sog. „Schattenpreis“) mit ein, den sie zwar nicht zahlen, der ihnen aber dabei hilft, ihre Geschäfte zukunftsfähig auszurichten.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzen wir auf effiziente marktwirtschaftliche Instrumente als Leitinstrumente innerhalb eines Instrumentenmixes. Durch Abschaffung der EEG-Umlage werden wir die Stromkosten für Bürgerinnen und Bürger sowie für Betriebe reduzieren. Wir werden die Digitalisierung nutzen, um kosteneffizienter CO2 zu verringern und Startups sowie kleine und mittlere Unternehmen fördern, die digitale Lösungen für Energie- und Ressourceneffizienz entwickeln. Wir wollen insbesondere die Clean-Tech-Forschung fördern. Um unsere Wirtschaft im weltweiten Wettbewerb vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen, streben wir international höhere Standards und angepasste Preise an. Zudem wollen wir in internationalen Klimakooperationen mit großen Volkswirtschaften ambitionierte Standards etablieren. Ergänzend dazu wollen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern einen WTO-konformen CO2-Grenzausgleich einführen. Wir sehen zudem in Carbon Contracts for Difference ein wichtiges Instrument, um unsere Unternehmen beim Klimaschutz zu unterstützen.
Wir setzen uns für einen europäischen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ein, der den Import CO2-intensiver Produkte bepreist. Die Industrieprivilegien beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, beim EU- und nationalen Emissionshandel müssen auf jene Unternehmen beschränkt werden, die tatsächlich durch Carbon Leakage bedroht sind, und dann mit verbindlichen und im Vollzug kontrollierten Vorgaben zu Effizienzfortschritten verbunden werden. Wo die Umstellung auf klimaneutrale Produktion hohe Investitionen benötigt, die ein Unternehmen nicht allein stemmen kann, sind entsprechende Förderprogramme des Staates zu entwickeln. Klimaneutrale Produktionsprozesse können sich zum Exportschlager entwickeln, wenn sie hierzulande erfolgreich angewendet und optimiert werden. So erreichen wir, dass die Industrie bis 2035 klimaneutral wirtschaftet, ohne dass dies mit Deindustrialisierung und Arbeitsplatzverlusten einhergeht.
Wir Freie Demokraten wollen deutsche Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen durch klimapolitische Maßnahmen schützen. Ziel muss ein über den europäischen Emissionshandel (EUETS) hinaus international abgestimmtes Vorgehen beim Klimaschutz mit einheitlichem CO2-Preis für alle sein.

Als Übergangslösung bis zu einem globalen CO2-Zertifikatehandel unterstützen wir die EU darin, eine WTO-konforme Weiterentwicklung des „Carbon Leakage“-Schutzes einzuführen, der sich am EU-ETS orientiert. Damit verhindern wir, dass emissionsintensive Industrien ins Ausland abwandern, und geben anderen Ländern einen direkten Anreiz, bei der CO2-Bepreisung nachzuziehen. Nur so kann ein echter Wettbewerb um Innovationen für mehr Klimaschutz gelingen. Denn dem Klimaschutz ist nicht geholfen, wenn CO2-intensive Produktionsprozesse in Regionen mit geringeren Auflagen außerhalb Deutschlands und Europas verlagert und die Produkte anschließend importiert werden.

Darüber hinaus setzen wir uns grundsätzlich für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen am Standort Deutschland ein, etwa durch eine moderne Infrastruktur, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und Entlastung bei den Unternehmenssteuern.

6. STEUER- UND TRANSFERSYSTEM

Wie werden Sie das Steuer- und Transfersystem einfacher und transparenter machen? Welche Erleichterungen planen Sie im Bereich der Unternehmensbesteuerung und was werden Sie unternehmen, damit sich Arbeit vor allem auch für Hartz-4-Empfänger und Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen lohnt?

Ziel unserer Steuerpolitik ist, dass alle einen fairen Beitrag leisten. Steuererleichterungen und -entlastungen wollen wir dort, wo sie nachhaltig und zielgerichtet sind. Durch eine Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags entlasten wir GRÜNE gezielt kleine und mittlere Einkommen. Die Hinzuverdienstgrenzen im SGB II wollen wir verbessern, damit sich Arbeit immer lohnt. Bei den Unternehmenssteuern setzen wir mit einer degressiven Abschreibung auf gezielte Investitionsanreize in die digitale und ökologische Modernisierung. Für kleine Unternehmen erleichtern wir das Ansparen auf diese Investitionen durch eine temporäre Erweiterung des Investitionsabzugsbetrags. Auch wollen wir die Eigenkapitalbasis kleiner und mittlerer Unternehmen stärken, indem wir die Besteuerung nicht entnommener Gewinne verbessern.
Wir wollen finanzielle Spielräume, soweit sie sich eröffnen, nutzen, um die Menschen zu entlasten, die jeden Tag Leistung erbringen, damit sie mehr Netto vom Brutto haben. Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten. Wir werden auch künftig die Wirkungen der sogenannten kalten Progression ausgleichen, indem wir den Einkommensteuertarif regelmäßig an die allgemeine Preisentwicklung anpassen. Wir wollen gezielt Familien finanziell stärken. Perspektivisch streben wir den vollen Grundfreibetrag für Kinder an und finden damit den Einstieg in ein Kindersplitting. Wir wollen auch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auf 5.000 Euro erhöhen.

Unser Ziel ist eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung. Wir wollen die Steuer-last für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent deckeln. Das schafft Investitions- und Innovationskraft für die anstehenden Herausforderungen. Da-bei wollen wir Rechtsformneutralität herstellen, ob für Einzelunternehmer, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft.

DIE LINKE will niedrige und mittlere Einkommen steuerlich entlasten, hohe Einkommen stärker belasten. Wir wollen steuerliche Sondertatbestände und Subventionen streichen, die es ertragreichen Unternehmen und Wohlhabenden ermöglichen, ihre Gewinne künstlich klein zu rechnen. Steuerliche Subventionen wollen wir in direkte Förderung umwandeln. Damit werden eine Vereinfachung und eine höhere Zielgenauigkeit bei der Förderung erreicht. Die Obergrenze für die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern wollen wir auf 1.000 Euro anheben, um die Abschaffung der bürokratisch aufwendigen Sammelabschreibung zu ermöglichen. Die Löhne müssen steigen und mehr sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen werden. Dafür sollen der gesetzliche Mindestlohn auf 13 Euro erhöht, die Tarifbindung gestärkt und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige überführt werden. Das entlastet auch die Sozialkassen von Aufstockungszahlungen. Wir wollen in die Transferbezüge eine armutsfeste Mindestgrenze einziehen, die bei 1.200 Euro liegt. Deshalb heben wir auch den Steuerfreibetrag auf 14.400 Euro im Jahr an. Das entlastet alle Einkommen bis in die ungefähr 6.500 Euro / Monat.
Wir Freie Demokraten wollen beim Einkommensteuertarif den sogenannten Mittelstandsbauch vollständig abschaffen und so einen leistungsgerechteren linearen Chancentarif gestalten. Die Abschaffung wollen wir in drei Schritten in den Jahren 2022 bis 2024 erreichen. Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Von Gehaltserhöhungen greift sich der Staat mehr als die Hälfte. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Deshalb brauchen wir mehr Fairness bei den Steuern.

Wir wollen Easy Tax einführen: die vorausgefüllte Steuererklärung mit einem umfassenden digitalen Service für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Im Besteuerungsverfahren muss umfangreicher auf innovative Lösungen gesetzt werden. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner sollen durch Easy Tax immer vollständige Steuererklärungen vom Finanzamt vorbereitet werden, die von den Betroffenen nur noch bestätigt werden müssen. Ziel muss es sein, dass Steuerbescheide in diesen Fällen innerhalb von wenigen Tagen bekannt gegeben werden können.

Die steuerliche Belastung von Unternehmen wollen wir auf den OECD-Durchschnitt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund 25 Prozent senken. Zudem wollen wir uns gemeinsam mit den USA für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.

Schließlich wollen wir bessere Hinzuverdienstregeln beim Arbeitslosengeld II (ALG II). Die aktuellen Regeln sind demotivierend und sie belohnen kaum, die Grundsicherung durch eigene Arbeit Schritt für Schritt zu verlassen. Bessere Hinzuverdienstregeln ermöglichen aber genau das: Sie bilden eine trittfeste Leiter, die aus Hartz IV herausführt. Das Einkommen von Jugendlichen aus Familien, die ALG II beziehen, soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Junge Erwachsene sollen künftig nicht mehr für Forderungen des Staates haften, welche auf ein Verschulden der Eltern – wie beispielsweise das verspätete Anzeigen einer Erwerbstätigkeit der Eltern – beruhen.

7. HAUSHALTSPOLITIK

Wie werden Sie die Tragfähigkeit der stark gestiegenen deutschen Staatsschulden sicherstellen? Wie beurteilen Sie den Zusammenhang zwischen Staatsschulden, Investitionen und der Belastung künftiger Generationen?

Deutschland verfügt auch nach der Coronakrise und nach der aktuell geplanten Kreditaufnahme über tragfähige Staatsfinanzen. Die Zinsen sind historisch niedrig, das Vertrauen in deutsche Staatsanleihen hoch. Wir haben aber dennoch ein Zukunftsproblem; Die Erde erhitzt sich, die Schulen sind sanierungsbedürftig und Deutschland gehört beim schnellen Internet zu den Schlusslichtern der EU. Wir investieren zu wenig in unser Land. Das sind Schulden, die nicht in den Büchern stehen, aber unseren Wohlstand und die Tragfähigkeit gefährden. Wir GRÜNE wollen in diesem Jahrzehnt pro Jahr 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren. So gelingt die sozial-ökologische Transformation, so schaffen wir nachhaltigen Wohlstand und sichern die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Um diese zusätzlichen Investitionen zu ermöglichen, wollen wir die Schuldenregel reformieren und um eine Investitionsregel ergänzen. Nettoinvestitionen, also zusätzliches öffentliches Vermögen, soll kreditfinanziert werden können.
Eine solide Finanz- und Haushaltspolitik muss stets die kommenden Generationen im Blick behalten. Es ist Ziel von CDU und CSU, die Handlungsspielräume für unsere Kinder und Enkel zu vergrößern, anstatt ihnen Schulden und damit Belastungen aufzubürden. Wir bekennen uns zur grundgesetzlichen Schuldenbremse. Sie hat in der Krise ihre Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen. Grundgesetzänderungen zur Aufweichung der Schuldenbremse lehnen wir ab. Wir wollen so schnell wie möglich wieder ausgeglichene Haushalte ohne neue Schulden erreichen und die gesamtstaatliche Schuldenquote auf unter 60 Prozent reduzieren. Wir werden mit Ende der Corona-Pandemie einen Kassensturz für die öffentlichen Haushalte einschließlich der Sozialversicherungen vollziehen. Das mündet in einen Fahrplan für Investitionen in Wachstum, gezielte Entlastungen und ausgeglichene Haushalte. Wir werden Ausgaben regelmäßig auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit prüfen und entbehrliche Ausgaben streichen. So kann das vorhandene Geld für wichtigere Zukunftsaufgaben eingesetzt und mit jedem Euro mehr erreicht werden.
Es war richtig, in der Krise neue Schulden zu machen, denn wenn der Staat die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Ausgaben gestützt hätte, wäre die Krise noch schlimmer geworden. Das hätte noch mehr Betriebe, Jobs und zukünftige Steuereinnahmen vernichtet. Die Finanzierung war historisch günstig. Deutschland hat wegen negativer Renditen sogar noch Geld mit dem Verkauf von Staatsanleihen verdient! Bei einer frühzeitigen Rückkehr zur Schuldenbremse und einer voreiligen Tilgung der Corona-Schulden droht der Kürzungshammer für den Sozialstaat und öffentliche Investitionen. Statt der Schuldenbremse brauchen wir eine Investitionsoffensive für erstklassige Infrastruktur und den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Der massive Investitionsstau ist die wahre Belastung künftiger Generationen, nicht die Staatsschulden! Corona-bedingte Ausgaben decken wir mit einer Vermögensabgabe, die mindestens 15,5 Mrd. Euro im Jahr über die nächsten 20 Jahre einbringen wird. Sie greift für Privatvermögen von mehr als 2 Mio. Euro, Betriebsvermögen von mehr als 5 Mio. Euro. und ist progressiv gestaltet. Sie wird einmalig erhoben, die Zahlungen aber über 20 Jahre gesteckt.
Um auch weiterhin notwendige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Digitalisierung zu gewährleisten, setzen wir Freie Demokraten auf Wachstum. Denn dadurch steigen auch die Steuereinnahmen, der relative Schuldenberg sinkt und Deutschland wächst aus seinen Schulden heraus. Den gleichen Effekt konnte man nach der Finanzkrise beobachten. Daher ist Entlastung so wichtig. Nur so kann das notwendige Wirtschaftswachstum angeregt werden. Gleichzeitig halten wir zur Sicherstellung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen an der Schuldenbremse fest. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass sich die Schuldenbremse bewährt hat. In außergewöhnlichen Krisenjahren kann von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht und Sonderausgaben durch eine erhöhte Schuldenaufnahme finanziert werden. Die Schuldenbremse verhindert auch keine Investitionen, dies ist vielmehr eine Frage der richtigen Prioritätensetzung.

Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit wollen wir die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen stärken, parlamentarisch effektiv verankern und durch eine Generationenbilanzierung ergänzen. Dabei werden Leistungen der Gesellschaft für folgende Generationen den entstehenden Lasten gegenübergestellt. Zudem wollen wir die Schuldenbremse stärken: Sie soll auf staatliche Beteiligungsgesellschaften, Sondervermögen und den deutschen Anteil an Verbindlichkeiten der Europäischen Union ausgeweitet werden.

8. ÖKONOMISCHE BILDUNG

Zur Sicherung der Altersvorsorge, eines selbstbestimmten Lebens, gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengerechtigkeit sind Grundkenntnisse über Wirtschaft und Finanzen als Teil der Allgemeinbildung unerlässlich. Welche Maßnahmen planen Sie zur Förderung der ökonomischen Bildung in ganz Deutschland?

Finanzwissen und ökonomisches Wissen sind heute auch im Alltag wichtig und wirkt sich positiv auf Finanzentscheidungen aus. Ökonomische Bildung ist für uns GRÜNE dabei mehr als ein Schulfach „Wirtschaft“. Wir setzen darauf, dass ökonomische Zusammenhänge, die eigene Rolle als Konsumierende oder Produzierende sowie Verbraucherschutz- und Nachhaltigkeitsaspekte in verschiedenen Fächern altersgerecht thematisiert werden. Anhand von Alltagsfragen von Kindern und Jugendlichen können dann auch zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, wie finanzielle Stabilität, Ungleichheit sowie ökologische und allgemeine Nachhaltigkeit, thematisiert werden. Im Wirtschaftsunterricht in der Schule oder für Finanzbildungskurse wird heute noch oft auf Lehrmaterialien aus der Industrie zurückgegriffen. Hier kann es Interessenkonflikte geben. Systematische Evaluation und Qualitätssicherung für Kurse und Materialen gibt es somit nicht. In einer nationalen Strategie könnten diese Probleme angegangen werden.
Es ist Aufgabe der Länder, für eine ökonomische Grundbildung in Deutschland sicherzustellen. Gleichwohl gibt es Einzelthemen, wie die Stärkung des Unternehmergeistes, die der Bund aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung unterstützt: So fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, indem es Betriebe, Schulen und Verlage mit dem Preis „Das hat Potenzial!“ auszeichnet. Außerdem ermutigt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem bundesweiten Online-Wettbewerb JUGEND GRÜNDET Schülerinnen und Schüler, eigene Geschäftsideen zu entwickeln und in einem Planspiel umzusetzen. Auch unterstützt das BMBF das Projekt „Curriculum und Professionalisierung der finanziellen Grundbildung (CurVe II). Darüber hinaus engagiert sich die Bundeszentrale für politische Bildung im Bereich der ökonomischen Bildung. Die unionsgeführte Bundesregierung hat in der laufenden Legislaturperiode Finanzwissen und ökonomische Bildung vielfältig gefördert. Wir werden in der kommenden Legislaturperiode prüfen, welche zusätzlichen Fördermaßnahmen erforderlich sind.
Zur Sicherung der Altersvorsorge, eines selbstbestimmten Lebens und gesellschaftlicher Teilhabe sind in erster Linie eine qualitativ hochwertige Ausbildung, gute Arbeitsbedingungen und eine anständige Bezahlung für alle notwendig. Wir lehnen es ab, ökonomische Bildung im Schulunterricht im Sinne der Finanz-, Wirtschafts- und Versicherungsbranche zu verankern. Gerade im Bereich der ökonomischen Bildung ist mit lobbyistischem Einfluss seitens der Privatwirtschaft zu rechnen, die Unterrichtsmaterialien in ihrem Sinne bereitstellt. Wir wollen Lobbyismus in Schule und Unterricht unterbinden. Schließlich erleben wir schon jetzt, dass immer mehr private Akteure u.a. aus der Finanz-, Wirtschafts- und Versicherungsbranche in die Schulen drängen, um dort mit ihren Unterrichtsmaterialien und teilweise sogar mit eigenen Referenten für ihre Sicht der Dinge zu werben. Sinnvoller wäre eine Stärkung das Faches Sozialwissenschaften, das die ökonomische, soziologische und vor allem politische Dimension des Wirtschaftens im Sinne einer ökonomischen Bildung abbildet und zur Kritik befähigt.
Finanzwissen und ökonomische Bildung sind die Grundlage für mündige Finanzentscheidung der Bürgerinnen und Bürger, vermeiden Überschuldung und helfen dabei, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Der sichere Umgang mit Verträgen und Anlagemöglichkeiten ist für junge Menschen ebenso wichtig, wie ein grundlegendes Verständnis unseres Wirtschaftssystems. Wir Freie Demokraten setzen uns daher für eine bundesweite Einführung eines Schulfaches Wirtschaft ein. An zu vielen deutschen Schulen werden noch immer keine ausreichenden wirtschaftlichen Grundkenntnisse vermittelt, obwohl diese heutzutage längst wie Rechnen, Lesen und Schreiben zum Basiswissen gehören sollten. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über unser Wirtschaftssystem mit auf den Weg geben und ihren Gründergeist sowie die Innovationsfreude schon im Schulalter fördern.