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Einfluss eines Migrationshintergrunds auf das Anlageverhalten

Mehr als 20 Prozent der deutschen Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Das Anlageverhalten von Migranten und nicht Migranten weist ausgewählte Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Dieser Artikel analysiert, inwieweit sich das Anlageverhalten von Migranten zu Nichtmigranten in ausgewählten Kategorien differenziert.

Bereits zu Beginn kann darauf verwiesen werden, dass sich aktuelle Studien vorrangig auf den US-amerikanischen Raum beziehen. Die Thematik wurde bis dato selten für Deutschland diskutiert.

Stand der Forschung

Betrachtet man zunächst die bekannten wissenschaftlichen Publikationen, analysiert die Mehrheit Unterschiede zwischen den beiden Befragungsgruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Somit stellt die durchgeführte Empirie einen akademischen Mehrwert dar, da hierdurch die Forschungslücke im europäischen Raum zum Teil geschlossen wird. In den sich auf den europäischen Raum beziehenden veröffentlichten Studien werden Unterschiede beim Anlageverhalten zwischen Migranten und nicht Migranten insbesondere auf unterschiedliche Bildungsstände zurückgeführt. Ohnehin tangieren kulturelle, soziale und politische Unterschiede die Finanzkompetenz der Individuen (Zureck & Svoboda, 2015).

Auch Anfang 2020 ist die Bankenbranche nach wie vor mit der anhaltenden Niedrigzinsphase, steigenden regulatorischen Auflagen und einem erhöhten Margen- und Wettbewerbsdruck konfrontiert.

Neben Banken leidet ebenfalls die Bevölkerung unter der anhaltenden Zinsphase. Während in den vergangenen Jahrzehnten die gesetzlichen Rentenleistungen für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung auskömmlich war, müssen sich heute immer mehr Menschen mit der privaten Altersvorsorge auseinandersetzen (Zureck, Reiter & Svoboda, 2018). Das ist ein Grund dafür, warum die Deutschen normalerweise sichere oder eher renditearme Anlagen präferieren. Das Verhalten führt dazu, dass Anleger nicht die Möglichkeit haben Renditen oberhalb der vorherrschenden Inflationsrate zu erwirtschaften. Dieses Phänomen wird im Fachjargon auch als „finanzielle Repression“ bezeichnen (Homburg et al., 2013). Hierbei erleiden die Anleger auf Grund Ihrer Risikoaversion eine negative Realrendite (Lusardi & Mitchell, 2011).

Trotzdem stieg die Anzahl deutscher Privatanleger im Betrachtungszeitraum von 2014 bis 2018 geringfügig um rund 9,9 Prozent (Deutsches Aktieninstitut, 2019).

Empirisches Vorgehen

Die zugrunde liegende empirische Untersuchung greift auf eine quantitative Datenerhebung des isf Institute for Strategic Finance der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Essen aus dem Jahre 2019 zurück. Hierbei wurde ein standardisierter Fragebogen verwendet, welcher circa 36 Fragen beinhaltet. Bei der Online-Befragung wurden sowohl Externe als auch Lehrende und Studierende der FOM Hochschule in der Altersgruppe 18 bis 56 Jahren befragt. Während bei einer ähnlichen Befragung in 2018 rund 15,2 Prozent der Befragten einen Migrationshintergrund aufwiesen (Özcan, U., Lehrbass, F., Zureck, A, 2018; Zureck, Jäger, 2018), sank die Zahl 2019 auf 13,86 Prozent.

Die Forschung umfasst lediglich eine Differenzierung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Weitere Variablen wie beispielsweise Religion, Heimatland der Befragten oder andere kulturelle Unterscheidungen sind in der Empirie nicht enthalten. Zu Beginn lässt sich jedoch unterstreichen, dass der Datensatz mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den Befragungsgruppen zeigt.

Sowohl Menschen mit als auch Menschen ohne Migrationshintergrund treffen ihre Finanzentscheidungen überwiegend eigenständig. Während etwa 51 bzw. 55 % der Befragten auf ihre eigene Finanzkompetenz vertrauen, ziehen rund 28 Prozent bei der Entscheidungsfindung ihre Hausbank hinzu. Somit wird die Signifikanz der persönlichen Beratung auch im Retail-Banking unterstrichen (Krahnhof & Zureck, 2018).

Prof. Dr. Alexander Zureck, Vorsitzender BG Ruhr-West 

Prof. Dr. Alexander Zureck, MBA
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Philippe Krahnhof, M.Sc., LL.M.
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Tab. 1: Beratung in finanziellen Angelegenheiten

Die Auswertung hat offenbart, dass Migranten (24 %) häufiger im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund (9 %) in risikobehaftete Assets wie z.B. Kryptowährungen investieren. Stattdessen investieren Menschen ohne Migrationshintergrund etwa 10 Prozent häufiger in Kapitallebensversicherungen.

Tab. 2: Finanzprodukte

Die Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund geben Rendite als oberstes Anlageziel in 2019 aus. Wohingegen diese 2018 noch liquide und sicherheitsorientierte Strategien verfolgten, siehe hierzu Tabelle 3.

Tab. 3: Anlageziele (Angaben in Prozent)

Der wissenschaftliche Beitrag konnte vor allem herausarbeiten, dass sowohl Menschen mit als auch Personen ohne Migrationshintergrund Finanzentscheidungen vorrangig eigenständig treffen. Da rund ein Fünftel der Befragten (17%) auf den Berater der Hausbank zugeht, kann eine weiterhin hohe Relevanz der persönlichen Beratung auch für das Retail-Banking in Zeiten der digitalen Transformation (Krahnhof & Zureck, 2018; Zureck & Krahnhof, 2019) unterstrichen werden.

Hervorzuheben ist, dass sich Befragte mit Migrationshintergrund stärker zu neuen digitalen und somit risikobehafteten Assets hingezogen fühlen. Dieser Aspekt – kombiniert mit hohen Renditezielen – ist vor allem bei den jüngeren Befragten zu beobachten. Im Gegensatz dazu agieren Menschen ohne Migrationshintergrund in dieser Assetklasse eher zurückhaltend. Dieser Aspekt ist in den kommenden Jahren durch weitere Studien mit aktualisierten Daten spannend zu verfolgen. Ebenfalls bietet es sich an die Asset Allokation der Migrationsgruppen hinsichtlich möglicher Anlagebeschränkungen – Sharia Investments – in den kommenden Forschungen zu analysieren.

Weiterführende Quellen:

Homburg, S., Herz, B., Erler, A., Mayer, T., Heise, A., Neyer, U. (2013): Finanzielle Repression – ein Instrument zur Bewältigung der Krisenfolgen?, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 93, S. 731-750.

Krahnhof, P., Zureck, A. (2018): Konsequenzen aus Digitalisierung und Konsolidierung für kleinere Institute, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Nr. 18, S. 922, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main, ISSN: 0341-4019

Lusardi,A.,&Mitchell,O.S.(2011).Financialliteracyaroundtheworld:anoverview.Journal of
Zureck, A., Jäger, T. (2018): Migration Background and its Impact on Personal Investments of in Germany Living People, in: INTERNATIONAL JOURNAL OF INNOVATION AND ECONOMIC DEVELOPMENT, Jg. 4, Nr. 3, S. 7-11

Zureck, A., Krahnhof, P. (2017): Digitalisierung und Auswirkungen auf das Retail-Banking von morgen, in: Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e.V., bdvb aktuell, Ausgabe 137, Juli bis September 2017, S. 28-29, ISSN 1611-678X

Zureck, A., Reiter, J., & Svoboda, M. (2018). Cross-Generational Investment Behavior and the Impact on Personal Finance. Journal of International Business Research and Marketing, 3(2), 16–18.

Bildquelle: Eigene Darstellung

30.05.2020

Prof. Dr. Alexander Zureck, Vorsitzender BG Ruhr-West

Prof. Dr. Alexander Zureck, MBA
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Philippe Krahnhof, LL.M., M.Sc.
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